Atomgirl – Herrin über gespaltene Atome und ebensolche Zungen

Sie ist meine Atomkanzlerin. Sie besitzt die Merkelkraft mit Laufzeitverlängerung. Sie ist das atomkraftgepowerte Supergirl mit Blazern in wechselnden Farben. Sie ist unangreifbar. Es gibt keine Superhelden neben ihr, denn der letzte verbliebene Superheld musste vor kurzem seinen nicht mehr vorhandenen Doktorhut nehmen, und dankt wahrscheinlich im Moment im bayerischen Exil seinem Schöpfer (falls er einen neben über sich akzeptiert) täglich für die schrecklichen Ereignisse in Japan, die ihn endlich aus der Schussbahn der Öffentlichkeit genommen haben.

War das jetzt eine bösartige Unterstellung. Ja. Ich glaube schon. Ich sollte mich dafür entschuldigen. 

Ich entschuldige mich. Ja, auch ich bin nur ein Mensch. Ein Mensch mit Fehlern. 

Damit wäre das erledigt. Ok?

Zurück zu Atomgirl. Auch Superhelden straucheln ab und an, und gestern mussten wir in einer Pressekonferenz mit ansehen, wie unsere, über jede Halbwertszeit erhaben strahlende Superheldin Schwäche gezeigt hat – menschliche Schwäche. Denn statt wie immer im Anblick von öffentlichem Druck eine ihrer Hauptkräfte anzuwenden, das berühmte „Aussitzen“, versuchte sie es gestern mit „Aussetzen“. 

Mir drängte sich unwillkürlich der Verdacht auf, dass dies wohl ein Aussetzer war. Ein Versehen. Eine Verwechslung. Doch, nein. Sie blickte mit nationaler Bedenkenträgermiene in die Runde und wiederholte sich sogar. Sie sprach klar und deutlich vom Aussetzen der Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke für 3 (in Worten: drei; in der internationalen Übersetzung: three f***ing Peanuts) Monate.

Der Republik stockte kurzfristig der Atem. Währenddessen präsentierte Nuclearwoman den nächsten Hammer: Die Regierung will nachdenken. In Ruhe. Drei Monate lang.

Das war der Moment, in dem ich mich an meinem Stuhl festhalten musste. Ist denn wirklich in dieser Welt alles möglich? Meine Regierung will nachdenken? Drei Monate lang nachdenken? Hätte mir das vor gestern Nachmittag jemand gesagt, hätte ich ihn mitleidig lächelnd wahlweise zu meinem Medikamentenschrank mit Beruhigungspillen, oder zu meiner Bar mit Hochprozentigem geführt. 

Doch ich selber hatte eben diese Worte vernommen. Meine Regierungsnemesis hatte soeben zugegeben, dass da es da – möglicherweise – ein kleines Problem mit ihrer ureigensten Atomkraft geben könnte. Möglicherweise. Vielleicht.

Sie erwähnte dabei auch das Wort Sicherheit mehrmals. Jedesmal, wenn sie dieses Wort erwähnte, zuckte ich unwillkürlich zusammen und schaute mich um, denn ich habe dann immer das Gefühl, dass mir der stechende Blick des Wolfgang Schäuble ein Loch ins Genick brennt. Woischd?

In diesem Moment kam allerdings Guido Westerwelle ins Bild und die Schmerzen im Genick wurden bei mir, noch bevor der Mann ein Wort gesagt hatte, von heftigen allergischen Hautreaktionen abgelöst. Ich kann tatsächlich über diese Legion der Superregierungshelden sagen, was ich will, aber ich muss doch gestehen, dass sie mich nicht unberührt lässt.

Zu Westerwelle, dem Mann dessen Superkraft es ist, keine Superkraft zu haben – und das auch nur auf Deutsch – nur soviel: Er gab bekannt, dass er erkannt hat, dass Deutschland funktionierende Kühlsysteme braucht. Diesen Schluss würde er aus der Katastrophe in Japan schon ziehen können.

Ich gebe zu, mein Mund stand offen vor dieser messerscharf gezogenen und wahrhaft revolutionären Einsicht. Ich muss an dieser Stelle auch neiderfüllt anerkennen, dass dieser Mann ein brillanter Politiker an der Herzklappe des Volkes ist, denn alleine der Einsatz des Worts Kühlsystem ist genial. Wurde so doch schlagartig jedem Stammtischstrategen der 0,3-Liter-Klasse in diesem Land sofort klar, dass es sich um etwas überlebenswichtiges handeln muss, von dem der Mann da spricht.

Er benutzte allerdings in diesem Satz auch wieder das Wort Sicherheit und sofort schäublisierte ich wieder, weshalb ich den Satz im weiteren Verlauf nur unvollständig erfasste. Ich vermute allerdings, dass er noch einige „wenn“, „dann“ und “aber“ im Zusammenhang mit dem Wort „Wirtschaft“ eingebaut hat.

Das einzige, wirklich das einzige, was an diesem Nachmittag so war, wie es immer war, und das beruhigte mich dann doch wieder ein wenig, war, dass unsere Herrin der gespaltenen Atome und Worte gegen Ende dann doch das blieb, was sie auch sonst immer bleibt: Unkonkret. Unnahbar. Ungefähr. 

Um diesen Tagebucheintrag allerdings nicht im Ungefähren enden zu lassen, möchte ich für die Nachwelt anfügen: Unerträglich.

PS: Ich weiß, seit frühester Jugend, das Superhelden immer eine Geheimidentität haben, und ich will gerne gestehen, dass ich zu gerne wüsste, wer hinter der Maske der Angela Merkel steckt: Helge Schneider? Harald Schmidt? Hape Kerkeling? Lothar Matthäus? Michael Jackson?

Gut, sorry, den letzten Namen nehme ich zurück. Nichts schlechtes über Tote – bevor man es nicht selber ist. Obwohl … man weiß es schlicht nicht. Diese Sache mit der Laufzeitverlängerung scheint ja sehr flexibel zu funktionieren.

3 Kommentare zu „Atomgirl – Herrin über gespaltene Atome und ebensolche Zungen“

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