Sauberer Strom und saubere Argumente

Wann, wenn nicht jetzt, soll man sich Gedanken um unsere Energiepolitik machen? Dafür sollte man auch schonmal die Wochenendruhe opfern. 

Es gibt in der aktuellen Atom-Debatte eigentlich nur ganz wenige Dinge und Argumentationsfallen, die man sich bewusst machen muss, um nicht auf die Beschwichtigungen und Argumentationsschleifen der Politiker hereinzufallen:

  1. Geht es um die Gefahren, die von der Atomkraft ausgehen, darf man keine Abschwächungen dulden: Das Wort Restrisiko ist eine politische Erfindung und soll etwas als klein und kalkulierbar – auch in den Folgen – darstellen. Das ist es aber nicht. Risiko bleibt Risiko, und meint das „nicht einschätzbare Unerwartete“. Fertig. Das führt uns direkt zu Zweitens.

  2. Phrasen wie, „Das kann bei uns nicht passieren.“ und „fast ausgeschlossen“ sind eben darum fahrlässig und gefährlicher sprachlicher Unfug. Genau das haben die Japaner nämlich auch gedacht. Was seit Freitag in Japan stattfindet ist das Restrisiko.

  3. Es gibt Alternativen. Alternativen, die nur langfristig denkend erreichbar sind, aber auch, und das ist wichtig, schon jetzt taugliche Alternativen in der Gegenwart (siehe Link unten).

  4. Einige Politiker und Atomkraftbefürworter werfen den Atomkraftgegnern im Moment vor, die „Gunst der Stunde“ politisch zu nutzen und Hysterie zu schüren. Diesem Argument kann man beruhigt begegnen, denn die gleichen Politiker, die dieses Argument den Atomkraftgegnern im Moment moralisch um die Ohren hauen wollen, haben genau diese „Gunst der Stunde“ in Sachen Internet und Kinderpornographie und Killerspiele gerne und reichlich genutzt. Gleiches Recht für alle.

  5. Der Vorwurf, der in die gleiche moralische Kerbe schlägt, aber auf der Gefühlsebene als Tiefschlag daherkommt, ist, dass man jetzt gefälligst nicht diskutieren soll, sondern an die Opfer in Japan denken soll, ist Heuchelei auf höchstem Niveau. Falls das so ist, wo ist denn dann bitteschön die Sorge um die Opfer von Gadaffis momentanem Amoklauf in Libyen, der sein eigenes Volk in Grund und Boden ballert. Es ist gewissen Entscheidungsträgern sehr Recht, dass der Fokus der Öffentlichkeit von Libyen abgezogen wurde, denn dort stehen unangenehme Entscheidungen an, vor denen man sich drücken möchte.
Es gibt Alternativen über die man diskutieren kann. Der folgende Link führt zu einem TV-Beitrag der beim SWR gesendet wurde: Wie die Bundesregierung sauberen Strom aus Norwegen blockiert – REPORT MAINZ | SWR.de.

Norwegen könnte mit Strom aus Wasserkraft 60 europäische Atomkraftwerke ersetzen. Mehrere Firmen wollen ein erstes Kabel von Norwegen nach Deutschland verlegen, das Projekt NORGER. So könnte sauberer und billiger Strom (1.400 MW) in beide Richtungen fließen: Überschüssige deutsche Windkraft ließe sich in norwegischen Pumpspeicherkraftwerken speichern und bei Bedarf nach Deutschland zurückholen. Doch es fehlt eine simple Verordnung um das Seekabel ans deutsche Netz anschließen zu können. Für das zuständige Bundeswirtschaftsministerium besteht „kein Änderungsbedarf“. Der Bundesverband Windenergie sieht NORGER durch die Bundesregierung blockiert. ( Wie die Bundesregierung sauberen Strom aus Norwegen blockiert – REPORT MAINZ | SWR.de)

Information ist die Bürgerpflicht. Wir sollten wissen, worüber wir reden.

[Update]
Ok, eins noch:
Es wird in Deutschland keine Panik geben, solange die auch niemand im Netz herbei redet, und die Medien sie nicht herbei schreiben und herbei berichten. Wenn die Twitterer und Facebooker heute Abend genervt sind, weil ihre Timelines von Japan- und Atomkraft-Meinungsäußerungen überlaufen, dann sei denen die alte, aber wenig bekannte Autofahrer-Weisheit nahegelegt: „Du stehst nicht nur im Stau. Du bist auch der Stau.“ 

1 Kommentar zu „Sauberer Strom und saubere Argumente“

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