Liebes Tagebuch,
ich verspürte heute heftige konservative Schübe bei dem Gedanken an dringend notwendige Reformen meiner Einstellung zu geregelter Arbeit.
Auf der Suche nach geeigneten Koalitionspartnern, traf ich heute Morgen auf meinen Kater, der mein persönliches Parteiprogramm erstens um die Forderung nach bedingungsloser Grundmüdigkeit erweiterte, und zweitens, dies auch in Perfektion vorlebte.
Wir beschlossen, uns rassenübergreifend zu politisieren, und uns in außerparlamentarischer Opposition zu verdingen. Der erste öffentliche Auftritt drohte allerdings zum Desaster zu werden, da nämlich genau in dem Moment, in dem ich meinen Kater, in seiner Funktion als Hauptredner ans Rednerpult trug, ein Störtrupp Mäuse auftauchte, und den Kater in ein rasendes, von Furien getriebenes, höllisch-miauendes Monstrum verwandelte, dessen geweckter Jagdtrieb sämtliche zivilisierten Tugenden wie Müdigkeit und Trägheit überlagerte. Er nahm die Verfolgung der autonomen Nager auf.
Ich versuchte den Tag zu retten, in dem ich meine eigene Rede begann. Was soll ich sagen, ich wurde immer wieder von Begeisterungsstürmen unterbrochen, wenn ich zum Beispiel Sätze wie diesen sagte: “Kein Wunder, dass viele Leute an Schlaflosigkeit leiden, denn das ist die Folge, wenn man nachts nicht schläft. Schlaf muss sich wieder lohnen in dieser Gesellschaft!” Oder auch frenetisches Johlen und Pfeifen nach Sätzen, wie: “Es ist dem Menschen bestimmt, die nächste Stufe der nachindustriellen Gesellschaft zu erklimmen. Lasst uns das Zeitalter des Praktikanten auf Teilzeitbasis mit vollem Wartezeitausgleich ausrufen.”
Ganz besonders wild tobte die Menge bei: “Ich fordere die Abschaffung der Vollbeschäftigung zu Gunsten der bedingungslosen Grundmüdigkeit unter Gewährleistung der ungeregelten Arbeitslosigkeit mit vollem Vergnügungsausgleich im erwerbsfähigen Alter.”
Das anwesende Stimmvieh rastete förmlich aus.
Als dann, in diesem, von einem Wahlkampfstrategen nicht besser zu erdenkendem Moment, der Kater mit einer erlegten Maus auf die Bühne schlenderte, sie lässig zu meinen Füssen ablegte, um dann total gechillt auf das Rednerpult zu springen, und augenblicklich auf meinem Rede-Manuskript einzuschlafen, war es um die Menge geschehen: Ich wurde auf Händen zu einem bereitstehenden Sofa getragen, welches von leichtbekleideten …
An dieser Stelle bin ich aufgewacht, weil der Wecker, dieses kapitalistische, knopfbatterienbetriebene Unterdrückungs- und Folterinstrument, digitaler Fasson, in grausam hochfrequenter Art und Weise meinen evolutionstechnisch wichtigen Schlaf unterbrach.
Hatte ich schon erwähnt, dass ich heftige oppositionelle Schübe nach dem morgendlichen Erwachen verspüre, wenn ich an längere Wachphasen in Verbindung mit geregelter Arbeit …