Dieses Webzwonull-Gedöhnse kann schon heftig nerven: „Twitter“ ist laut schrill und ein inhaltlicher Seifenkisten-Downhill. „Facebook“ ist eigentlich unerträglich überflüssig, träge und irgendwie die digitale Manifestation von McDonalds: Jeder räsoniert darüber; keiner will hingehen, und trotzdem ist es immer voll. Bei „MySpace“ krieg‘ ich Pickel, so hässlich ist es, und über „Wer-kennt-wen“ und die „VZ“-Mischpoke will ich gleich gar nichts mehr sagen.
Man kriegt den Eindruck, dass das goldene Kalb der Webzwonull-Massen „Banalität“ heisst. Doch nicht alleine das Banale nervt. Mittlerweile nervt auch der brauchbare Inhalt. Er nervt, weil er in derartigen Massen über einen hinweggespült wird, die kaum noch, oder nicht mehr, zu bewältigen sind.
Der Google Reader wird, trotz oder gerade wegen seiner genialen Konstruktion, zu einem Informationsmoloch. Die Delicious- oder Wong-Bookmarks kriegen mehr Umfang als die Bibel, und alleine ein Ipernity-Account kann auch eine Stadt für sich sein. Die kleinen Helferdienste, die sich um die ganzen Webzwonull-Kernschleudern entwickeln und helfen, verwalten und sortieren wollen, sind Legion.
Zwischenbemerkung: Die selbstreferentiellen Blogger, waren übrigens die ersten, die nervten. Damals. Davon gibt’s sogar immer noch welche. Eigentlich gibt es sogar zwei Sorten davon: Die Einen, die es geschafft haben, damit, dass sie über sich selber reden Marktwert zu schaffen und nun Kohle verdienen, und die Anderen, die „SPD-like“ das Gleiche wollten, es aber nie zugaben, und drum auch nicht schafften. Die sitzen jetzt schmollend in der linken Internet-Ecke und schreiben über … sich selbst und die kapitalistisch-mutierten Anderen. Daneben gibt es aber die oben erwähnten Legionen von Schreibern im Netz, die immer mal wieder interessante Dinge raus hauen und deren Inhalte man gerne mitkriegen möchte. Es ist die Sucht nach Inhalt – zumindest bei mir.
Zurück zum Banalen. Es ist wie immer: Nicht die „böse“ Technik ist es, sondern der Mensch, der erst lernen muss, damit umzugehen. Wir alle tun und reden häufig banales. Es wäre flachhirnig, sich darüber zu beschweren. Die Banalität braucht Kanäle. Sie darf eben nur nicht das Nadelöhr sein, durch das ich mich jeden Tag im Berufsverkehr quetschen muss. Sprich, Filter sind unabdingbar und geeignete Tools müssen her, die meine Kiste nicht lahmlegen und den Desktop und mein Hirn nicht auseinanderplatzen lassen, nur damit ich das Echtzeitweb beherrsche überlebe.
Ich habe dieser Tage, im Hype um Google Wave, ein Tool gefunden, von dem ich glaube, dass es einen Weg in die Echtzeitkommunikation der nahen Zukunft zeigt: pip.io. Was pip.io genau ist, lest Ihr bitte in diesem und diesem Artikel nach.
Am besten aber, Ihr probiert es einfach mal aus. Momentan arbeitet pip.io als „Public beta“. Sprich man braucht eine Einladung. Davon stehen jeden Tag 10 Stück pro Person zur Verfügung. Wer also testen will, der schreibe mir via Mail, Twitter oder Facebook und ich schicke eine Einladung los. Mich selber findet man unter jo_jmatic bei pip.io. Stellt gerne eine Kontakanfrage.
Meine Erfahrungen mit pip.io sind bisher durchweg positiv. Ich habe bis auf die Google-Dienste alles unter einer Oberfläche, kann gut filtern und es geht alles recht flott. Das ist sogar mithin der größte Vorteil. Funktionen wie „Chat“ und „Room“ funktionieren schnell und simpel und wirken ebenfalls kommunikationsfilternd. So soll es sein. Ich brauche weniger Tools und weniger geöffnete Seiten im Browser, um meine Kommunikation zu kontrollieren. Endlich.
Natürlich ist pip.io noch nicht frei von Fehlern und Hängern, und evtl. muss man bisher einfach dankbar sein, dass es noch nicht überlaufen wird, während sich die Masse noch in der Twitterschlange tottrampelt, aber es funktioniert. Pip.io visualisiert angenehm und nutzt den Platz im Browserfenster sehr gut. Ich muss gestehen, dass die Implementation von YouTube mich sogar zum Stöbern im großen Videoozean verführt hat, wo mir doch YouTube bisher selber immmer ein visueller Greuel war.
Applikationen für den Google Reader, das mobile Web, Multi-Client-Chats und andere Dienste sind bereits in Planung. Man darf also davon ausgehen, dass hier Entwicklung und Mehrwert stattfindet. Die Einbindung von Twitter, Facebook, YouTube und Feeds ist in jedem Fall schonmal sehr sahnig.
Eins sei jedoch jedem mit auf den Weg gegeben: Falls man sich entschließt pip.io zu testen, sollte man sich Zeit nehmen. Nicht in Form von reellen Stunden, sondern in Form von explorativer Geduld, und dem Einbinden in seinen Kommunikationsablauf. pip.io entfaltet seinen Nutzen erst mit der Zeit und den Kontakten, in dem es Dienste verbindet und dadurch Systemgrenzen überwindet. Dazu muss man aber die Struktur von pip.io begreifen. pip.io hilft durch Chat, Räume und (ganz wichtig) die Kanäle die „Lautstärke“ der Webzwonull“-Kommuniation etwas zu dämpfen und zu filtern – in Ein- und(!) Ausgabe.
Das Netz, oder besser gesagt, die digitale Kommunikation entwickelt sich. Oder aber, wie der Kaiser in unbegreiflicher konfuzianischer Reflektiertheit von sich gab: Schaun mer mal.