Manchmal sinkt man einfach nur auf die Knie und dankt, wem auch immer, dafür, dass man nur ein kleines unbedeutendes Licht ist, und mit niederen Arbeiten seinen kärglichen Lebensunterhalt bestreiten darf. Es gibt aber auch eine Zeit aufzustehen und Widerstand zu leisten. Diese Zeit ist jetzt gekommen.
Lasst mich erklären:
Es ist ja nicht so, dass ich früher nicht käuflich oder mittelmäßig genug gewesen wäre, um so ’ne Nummer durchzuziehen, wie der Junge auf diesem Bild, beim Hardrock-Posing zum Aldi-Halbplayback-Mix + Springmauskolonne mit integrierter Gesangsimitation:
Doch, ehe ich weiter rede, schaut Euch jetzt zuerst das zum Bild gehörende Video vom RPR-Kindertag in Bad Kreuznach an, und Ihr versteht, was ich meine:
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Ist das nicht peinlich? Ist das nicht schrecklich?
Glücklicherweise gab’s zu meinen Zeiten nur “Boney M” und “Dschingis Khan” (was Boney M. gegenüber jetzt ziemlich unfair ist) und Konsorten, die solche peinlichen Poser-Nummern durchgezogen haben, und ich war weit, weit weg von solchen Versuchungen. Doch schon damals hätte sich nie niemals jemand getraut, mit einer schwarzen Les Paul, dieser Göttin des crunchy-singenden Rock’n Rolls, dieser Ikone des frühen Hardrock, und der Geburtshelferin des Metal, eine solche Inszenierung auf eine Bühne zu bringen.
Als ich jetzt aber das Video mit dem sich prostituierenden Gitarrenjungen und den Hupfdohlen vom RPR Kindertag in Bad Kreuznach sah, musste ich zunächst schallend lachen, wurde dann aber von einem lautlosen Entsetzen erfasst, denn der Auftritt geschah doch, wie erwähnt, auf einem Kindertag. Auf einem Kin-der-tag! Das heißt, da waren mutmaßlich massenhaft Kinder vor Ort – nicht nur Kindsköpfe.
Wir reden also von Kindern, die jetzt nicht nur mit dem fatalen Irrglauben aufwachsen, dass “Somebody to love” von Ross Antony ist …
Ich … Entschuldigung …
Mir fehlen gerade die Worte … ich muss meine Schnappatmung unter Kontrolle kriegen … Ähm, *räusper*, also, .. sorry, weiter:
Wir reden von Kindern, die also durch solch traumatisierende Konzerterlebnisse nicht wissen werden, was wirkliche Sangeskunst ist! Doch damit des Schlimmen nicht genug! Nein! (Randbemerkung: Ich spüre gerade heiligen Zorn in mir aufsteigen!)
Diese Kinder denken jetzt auch noch, dass Menschen mit schwarzen Gitarren und langen Haaren klingen, wie Benjamin Blümchen im Minrock beim Malle-Hitmix-pfeifen! Ja, geht’s denn noch. War denn da kein Erwachsener vor Ort, der vernünftig und evolutionsgewollt mit den Beatles, den Stones, Queen, Aerosmith und Led Zeppelin sozialisiert wurde, und der sich getraut hätte, diesem demagogischen Treiben im Stile der schönen neuen Welt ein Ende zu bereiten?
Was soll aus unseren Kindern werden? Das ist der vielbeschworene Untergang des Abendlandes. Doch ich trete dem hier und jetzt entgegen, und sage zu den Bad Kreuznacher Kindern:
“Liebe Kinder, wenn Ihr Menschen mit solchen Gitarren und langen Haaren auf einer Bühne seht, dann muss das mindestens so klingen:”
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“Alles andere ist wie ein Tofu-Hamburger – labbrig und fad‘. Habt Ihr gerade die Reaktion Eurer Eltern bemerkt an manchen Stellen des Videos? Sind sie hochgefahren und wollten die Hände vor den Bildschirm schieben, damit Ihr nicht seht was dort vorgeht? Wenn Eure Eltern so nicht reagieren, dann ist es auch kein Rock’n Roll! Denn merke: Nur wenn es verboten und laut ist, ist es gut.”
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„Liebe Kinder, lasst Euch nicht verdummen.“ Ich habe fertig.
Bei der Berichterstattung bzw. Verlinkung der Pfingstwiesen-Kinderaktion, gesponsert durch ein weis/rot/blaues Einkaufsimperium (die lernen ja schliesslich von den erfolgreichen Religionen, daß man seinen Nachwuschs so früh als möglich sichern muss!) musste ich mir ja alle bisher gepostenen Videos anschauen und Oh(r) Graus – viel Gutes war da nicht zu hören und das dann noch in verzerrtem Ton und auch mit Alkoholikerhänden aufgenommen!Ich kann nur hoffen, die REAL´ität war dann nicht ganz so schlimm, wie die Vides es vermuten lassen!
Ganz privat und für mich, fürchte ich: Doch, es ist so, wie Du vermutest. Es ist im eigentlichen Sinne schlimm, denn da wird prinzipiell nichts anderes als Markenbindung betrieben. Das ist im Falle einer Supermarktkette noch nicht mal so schlimm, denn jeder weiss und akzeptiert diesen Mechanismus (dafür leben wir schliesslich im Kapitalismus). Schlimm ist’s im künstlerischen Bereich. Da werden dem jungen Publikum austauschbare, abwaschbare “Hüllen” verkauft, die schon selber nur durch eine unglaublich perfekt arbeitende Marketingmaschinerie überhaupt erst erschaffen wurden. Das System erhält sich selbst.
Unsere Kinder sind UNSERE Zukunft. Und wenn ich das hier sehe und das was ich erlebe adiere, bekomme ich große Angst um meine und unsere Zukunft!
@Radio_Bingen Ich glaube aber fest daran, dass sich in den Nischen und den vermeintlich dunkleren Ecken des Kulturbetriebs die Kunst, so sie eckig und nicht massentauglich ist, erhalten wird.