Es geht also wieder mal um Banken, Zocker und Kapital. Die HRE ist wieder mal ins Blickfeld gerückt, weil sie mal eben auf die Schnelle wieder Sicherheiten für 40 Mrd. braucht. Ja. Achso. Na ja, 40 Mrd.? Da regt sich an einem schönen Spätsommersonntag keiner mehr drüber auf. Warum auch. Kennen wir doch schon. Da sind wir doch mittlerweile auch andere Zahlen gewohnt. In Medizinkreisen würde man von
Langzeit-Habituation sprechen. Einfache Leute wie ich sagen schlicht: Wir sind abgestumpft.
Abgestumpft und überfordert sind wir. Deshalb regen wir uns auch über die zweidimensionalen Thesen eines Thilo S. mehr und lieber auf, als über kapitalistischen Spekulationswahnsinn á la “HRE”. Das, was T. S. von sich gibt hat immenses Stammtischpotential. Der Bürger liebt es, wenn er seine Ängste, Hoffnungen und seine eigenen Charakterleichen auf Personen des öffentlichen Lebens projizieren kann. Das hat was Simplifizierendes und was Reinigendes.
Genau das funktioniert aber mit dem komplizierten Thema der Finanzspekulation und solchen
“unfassbaren” Gebilden wie der “HRE” nicht. Das ist eine komplizierte Materie. Das sind Zahlen, die ausserhalb unseres Begriffsvermögens rangieren. Das ist einfach nicht so real erlebbar, wie der türkische Gemüsehändler um die Ecke.
Recht hat er trotzdem, der Kreuznacher: Lasst den Herrn S. doch seine halbintellektuellen Thesen noch ein wenig in den Talkshows und auf dem Büchermarkt vertreiben. Er wird mit seinem halbgaren Gedankengut an der Realität scheitern, wie alle “schill”ernden rechten Propagandisten vor ihm. Dass er tatsächlich existierende Probleme in Deutschland und Europa anspricht: Geschenkt! Außer der Ignoranz-Abteilung der CDU und der Superreichenfraktion dieser Gesellschaft, die ihr Gesicht beständig der Schweiz zuwendet, um ihr Kapital nicht aus den Augen zu lassen, hat das wohl so ziemlich jeder vorher schon gewusst.
„Ich sehe in naher Zukunft eine Krise heraufziehen. In Friedenszeiten schlägt die Geldmacht Beute aus der Nation, und in Zeiten der Feindseligkeiten konspiriert sie gegen sie. Sie ist despotischer als eine Monarchie, unverschämter als eine Autokratie, selbstsüchtiger als eine Bürokratie. Sie verleumdet all jene als Volksfeinde, die ihre Methode in Frage stellen und Licht auf ihre Verbrechen werfen. Eine Zeit der Korruption an höchsten Stellen wird folgen, und die Geldmacht des Landes wird danach streben, ihre Herrschaft zu verlängern, bis der Reichtum in den Händen von wenigen angehäuft und die Republik vernichtet ist.“
Abraham Lincoln, US-Präsident, 21.11.1864
In der Tat sind das Sätze, die einem im Anbetracht bestehender Verhältnisse und Probleme in den Ohren klingeln müssen. Wie tief ist unser Kotau vor der Macht des Geldes, dass wir das Offensichtliche nicht erkennen? Im Jahr 2008 hackte ich einen Artikel in mein damaliges Blog mit dem Titel:
Montagsdemoanfall. Ich darf mich mal selber daraus zitieren, wenn es schon sonst keiner macht:
“Notleidende Banken”!? N-o-t-l-e-i-d-e-n-d …!?
Das Unwort des Jahres 2008 ist «notleidende Banken». Eine unabhängige Jury aus Sprachwissenschaftlern und Journalisten habe den Begriff aus 1.129 Vorschlägen ausgewählt, sagte Jury-Sprecher Horst Dieter Schlosser in Frankfurt am Main. Der Begriff «Notleidende Banken» stelle das Verhältnis von Ursachen und Folgen der Weltwirtschaftskrise rundweg auf den Kopf, erklärte Schlosser zur Begründung. (aus: Montagsdemoanfall)
“Auf den Kopf gestellt” ist da ja wohl noch geschmeichelt. Ich krieg’ schon wieder Pickel, Pusteln und Schnappatmung. Nchrrrr … «Notleidende Banken», das ist ja wie, «schüchterne Playboys», wie «vegetarische Krokodile», wie «friedfertige Terroristen», oder wie «kurzfristige Staatskredite», äh … Nchrrrr …
Da ist ein Wort der Warnung angebracht:
Liebe Kinder, der «notleidende Bänker» ist ein Geschöpf der Gattung Parasit. Er lockt Euch mit Versprechungen und sanften Worten in seine Behausung, die Finanzblase, und saugt Euch dort dann langsam aus. Hat er genug aus Euch herausgepresst, rennt er damit sofort zum nächsten Parkett und spekuliert unter lautem Wehklagen, dass die Schwarte kracht. Leider wurde seine Art schon frühzeitig zum Kulturfolger und von uns unter Naturschutz gestellt. Da sie offensichtlich keine natürlichen Feinde mehr haben, können sie sich hemmungslos vermehren.
So schrobte ich damals, und so sieht man es offensichtlich auch aktuell bei “The Intelligence”, in oben schon erwähntem
Artikel: Es ist eben nicht nur so, dass unser Kapitalismus vom Sterben der Menschen in anderen Regionen dieser Welt lebt, nein, auch unser Sterben wird zum Spekulationsgeschäft in einer Finanzblase, in der nur Platz für ganz wenige ist.
Mehr als 200 Millionen Euro wurden für diese Idee in Deutschland eingesammelt. Die Rendite ergibt sich aus dem kalkulierten Ableben der Referenzpersonen, errechnet wurde dieses Datum durch die Deutschbanker. Zwischendurch hat man ein weiteres Modell getestet, weil es galt, die realen Beiträge zusätzlich einzusparen. Anonymisierte Gesundheitsdaten von mehreren Hundert Amerikanern wurden bei Zwischenhändlern gekauft, die dazu passenden Lebensversicherungen dann von der Bank selbst entworfen.
So war das also mal berechnet, die auserkorenen Referenzpersonen produzierten keine Kosten für Prämien mehr, alles war gut.
(aus: Achtung (teilweise) Satire: Die Geschichte vom toten Kapital – The Intelligence )
Wie tief also ist unser Kotau, wie betriebsblind sind wir geworden, dass wir nicht erkennen, dass weder der Islam, noch irgendwelche rechtsgesinnten Flachdenker unsere Zukunft ruinieren, sondern z. B ein Abzocke-System, in dem die Rendite über alles geht, und die Spekulationsschulden durch den Steuerzahlers finanziert werden?
Den Leuten, die hier Lern- und Moraleffekte aus der “Bankenkrise” bei den Bewohnern der Finanzblase erhoffen, sei an dieser Stelle nur ein Beispiel genannt: Die HSH Nordbank ist unter den staatlichen Finanzschirm gekrabbelt und hat
trotzdem Boni an ihre Manager ausgezahlt. Der Aufsichtsratsvorsitzende dieser Bank heisst übrigens Kopper. Man erinnert sich vielleicht. Das ist der Mann mit den
“Peanuts”. Man darf daraus schliessen: Der Mann praktiziert noch.
Muss man noch mehr sagen?