Im Juli öffnet Google+ seine Pforten für die Öffentlichkeit. Ich bin gespannt wie ein Flitzebogen, wie die Netz- und Facebook-Gemeinde dann reagieren wird. Google+ ist anders. Google+ kann das durch Facebook und Konsorten erlernte Kommunikatons- und Rezeptionsverhalten der Community-Nutzer ändern. Aber! Brauchen die Leute das überhaupt? Wollen die Leute das überhaupt?
Auweia, hätt‘ ich doch mal besser die Klappe gehalten. Seit ich in Google+ drin bin und meiner Begeisterung über diese Neuschöpfung von Google Ausdruck verliehen habe, in dem ich einige Artikel in jo$ kaos-i-lator dazu schrieb und mengenweise Einladungen verschickt habe, hab‘ ich echt Stress gekriegt, weil Google die Pforten immer wieder dichtmacht und keinen mehr rein lässt. Nur wenige Stunden am Tag, wenn überhaupt, ist es möglich, sich zu registrieren. Natürlich kriegt das dann kaum jemand mit, und der Frustfaktor steigt bei denen, die wieder vor verschlossener Tür stehen. Was sich dann in endlosen Mails äußert, die von mir Abhilfe in Form eines funktionierenden Invites verlangen. Tut mir leid, ich kann da nix machen.
Nun kam ja gestern Abend die Meldung, dass Google+ noch im Juli für alle geöffnet werden soll. Das ist, denke ich mir, ein Zeitraum, den man gut abwarten kann. Insofern bitte ich alle, die von mir eine Einladung erhalten haben und es trotzdem nicht vorher schaffen sich anzumelden, so viel Geduld aufzubringen. Im Moment treiben sich eh nur knapp ’ne halbe Million Nerds aus der ganzen Welt da drin rum, die das Ding auf den Kopf stellen und jede Schraube testen. Das sind dann zwar Jungs und Mädels, die technisch sehr beschlagen sind und SocialMedia als Tattoo unter der Großhirnrinde tragen, die ansonsten aber doch thematisch gerade deshalb sehr limitiert sind. Otto Normaluser kriegt da bei einigen Beiträgen schon ab und an das Gähnen. Glaubt mir. Richtig interessant wird’s tatsächlich erst, wenn die Masse der (frustrierten?) Facebook-User einen Blick in Google+ werfen will. Da wird dann das echte Leben, und es werden die interessanten und bunten Inhalte des Netzlebens (hoffentlich) in Google+ einströmen.
Vergleiche von Facebook und Google+ drängen sich natürlich auf, hinken aber eigentlich, denn Google+ hat eine wesentlich andere Struktur, die sehr viel moderner und deshalb auch nicht so aufdringlich und starr ist, wie das Facebook-Freunde-Konzept. Jedenfalls erlebe ich das so. Ich wollte nie „Fan“ werden, und ich will den Menschen aus Irgendwo, den ich eigentlich überhaupt nicht kenne, nicht als Freund anklicken, nur damit ich an seine durchaus interessanten Inhalte komme. Das hat mir in Facebook von Anfang an widerstrebt. Facebook will dein Privatleben haben. Das ist sein Sinn. Das will ich aber nicht.
In Google+ kann ich als Empfänger und als Sender meine Kontakte wesentlich flexibler und feiner auswählen und filtern, ohne es zwanghaft zu einem beiderseitigen Kontaktkanal machen zu müssen. Natürlich hat das viel vom Follower-Prinzip von Twitter. Gut so! Doch dazu später mehr.
Google+ wird auch die wesentlich moderneren Techniken zur Verbreitung von Inhalten bieten, weil es nach aussen hin viel offener ist, als Facebook. Es wird so manchen Blogger, Podcaster, Künstler, etc. geben, der in Zukunft nur noch Google+ nutzt, und das nicht nur, weil die Leute dort sind (so wie das das Argument für Facebook war/ist), sondern weil Google+ die Kommunikation zwischen Content-Ersteller und Publikum auf die verschiedenste Art und Weise unterstützt. Ich sehe da großes Potenzial, wenn die Menschen diese Idee annehmen. Alleine Hangout (Gruppen-Video-Chat) kann zu einer echten Live-Performance-Plattform (Musik, Radio, Show) werden. Die Möglichkeiten sind da schier endlos – wohlgemerkt, für Leute die sich veröffentlichen wollen.
In diesem Zusammenhang ein noch paar unsortierte Gedanken Richtung Facebook: Die Wechselbereitschaft vieler Facebooknutzer wird sowieso auch davon abhängen, wie sehr Google sich dem Zeittotschlaggedöhns wie Glücksnuss- und Sprüche-Apps, Spielekram, und so weiter, öffnen will. Bisher gibt es das alles in Google+ nicht. Man muss da schon eigene Gedanken formulieren, wenn man sich seiner Umwelt mitteilen will. Was ich nun wieder bis jetzt sehr sympathisch finde, weil ich in Facebook erlebe, wie erwachsene Menschen wieder anfangen in App-Sprechblasen zu denken, weil sie halt gerade in Facebook sind und dort Zeit verbringen müssen, es ihnen aber eigentlich an Inhalten fehlt.
Das ist nun eigentlich auch nichts Neues, denn in jeder Kneipe spielt man deshalb seit Urzeiten Würfel- und Kartenspiele, schmeißt Geld in Automaten und erzählt sich übertriebene Jugendsünden an Stammtischen, oder den neuesten Klatsch an der Theke. Diese erlernten Verhaltensweisen und Bedürfnisse bedienen in Facebook eben diese genannten Angebote, mit denen sich mittlerweile außerdem eine komplette Werbeindustrie finanziert. Facebook ist eben durch seine technische Struktur und seine ursprüngliche Idee wie die riesengroße Superkneipe: Du gehst da rein, die Tür fällt zu, du hängst deine Jacke an die Garderobe und dann bleibst du erstmal da. Nach zwei Bieren fängst du dann an dein Leben zu erzählen. Das ist Facebook.
Google+ wird nicht die Superkneipe werden, Google+ kann(!) eine Stadt werden, in der es viele verschiedene Angebote und Kneipen gibt. Ja, das ist weit in die Zukunft geblickt und orakelt, aber ich kann mir das, aus dem, was ich bisher sehe, vorstellen. Wobei man auch hier nie vergessen darf: Google ist eine amerikanische Firma, ebenso wie Facebook – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Google+ wird garantiert bessere Schnittstellen zur Außenwelt erhalten, als andere Dienste. Das dauert wohl noch etwas, aber die Fachwelt munkelt solches. Google hat sich auch da, so unterstelle ich einfach mal, ein wenig auch am Twitter-Konzept orientiert. Außerdem wird es seine anderen Angebote, wie Picasa, Blogger, GReader, GMail, und so weiter, integrieren. Darum wird Google+ auch für Twitter ein größeres Problem werden, als für Facebook, denn die Bedürfnisse der Nutzer von Twitter und Google+ überschneiden sich bis jetzt sehr viel mehr.
Der „Google+“-Rush wird aber nur dann eintreten, wenn die Leute die Veränderung wollen und annehmen. Oder auch, wenn sie erkennen, wie wichtig Datenschutz und Transparenz sind, denn da hat Google wesentlich mehr zu bieten als zum Beispiel Facebook.
Ich bin gespannt. Google hat schon einige Versuche in dieser Richtung unternommen und ist mehr oder minder immer damit gescheitert. Bei Buzz hatte ich auch hohe Erwartungen, musste aber sehen, dass durch die Unterordnung unter GMail diese Plattform einen derartigen Hinterzimmercharakter gekriegt hat, dass schlussendlich nur noch die Nerds und Technikfreaks dort öffentlich tätig waren, und damit auch noch den Rest des bunten Lebens dort vertrieben haben. Ich kann nur hoffen, dass das diesmal nicht wieder geschieht.
Für mich steht definitiv fest, dass der Schwerpunkt meiner Webpräsenz Google+ werden wird. Für Menschen, die Content liefern, wird daran kein Weg vorbei führen. Facebook werde ich natürlich auch als Content-Plakatwand weiter nutzen und einige private Kontakte dort halten. Ich denke nämlich nicht, dass alle Leute einen Sinn im Wechsel erkennen werden, was ja auch, aus oben genannten Gründen, legitim ist.
Google+ ist die Zukunft im Web, sagen die Fachleute. Doch bei IBM glaubte man auch lange Zeit, dass die Zukunft den Supercomputern gehören würde und der PC vom Privatmann nicht gewollt werden würde. Was Facebook betrifft, empfehle ich, wo wir wieder beim Orakeln sind, einen Blick in die Geschichtsbücher, an die Stellen, die sich mit dem Ende des römischen Reichs befassen. Da passierte auch nichts über Nacht.
Oh, bevor ich es vergesse: Wer jetzt immer noch scharf darauf ist, vor allen anderen nach Google+ rein zu kommen, der sollte mal hier rein schauen:
Keinen Google Plus-Account? Der Google+ RegHelper schafft Abhilfe
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Google schaltet bis zum öffentlichen Start von Google Plus immer nur sehr kurz und in der Anzahl begrenzt die Möglichkeit frei, sich bei Google Plus anzumelden.
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Source: http://gpluseins.de/498/keinen-google-plus-account-der-google-reghelper-schafft-abhilfe/