Realismus ist eine Sache der Erfahrung.
Jockey by ~ruddiger on deviantART
Kunsterfahrene Betrachter haben vielleicht gleich gesehen, dass dieses Bild eine Bleistift-Zeichnung ist. Unglaublich realistisch. Wow!
Interneterfahrene Surfer haben vielleicht, entgegen der Aufforderung im Titel, schon kurz nach Erscheinen dieses Artikels, in ihrem Feedreader gleich auf den Link zu diesem Artikel geklickt, und haben die Informationen in diesem Artikel innerhalb weniger Sekunden erfasst, ins Kurzzeitgedächtnis gepackt, und sind jetzt schon wieder auf dem Weg zum nächsten Informationsschnipsel.
Lebenserfahrene Menschen haben wahrscheinlich meinen Rat befolgt, diesen wunderbaren Frühlingstag im Freien verbracht und sich erst am heutigen Abend vor die Maschine gesetzt, um diesen Artikel per Klick aufzurufen und zu konsumieren.
Dazwischen existieren natürlich noch eine Menge anderer Möglichkeiten und Bewertungen derselben. In jedem Falle aber haben kunst- und interneterfahrene Menschen mit Lebenserfahrung, realistisch betrachtet, eine Entscheidung bei der Rezeption dieses Artikels getroffen, die auf ihren Erfahrungen, Erwartungen und Bedürfnissen basiert.
Das führt zurück zu dem oben gezeigten Bild. Ist dieses Bild, weil es “photorealistisch” ist, aller Erfahrung nach eine Warnung davor, Bildern heute nicht mehr zu trauen? Ich habe bei der Betrachtung des Bildes nicht bemerkt, dass es sich um eine Zeichnung handelt. Ich bin der Täuschung erlegen, habe aber an Erfahrung gewonnen, und das in mehrerer Hinsicht: Ich bin achtsam, was die Beweiskraft von Bildern angeht. Ich staune aber noch viel mehr über die menschliche Kreativität und Kunstfertigkeit, die derartige “sinnliche Erfahrungen” ermöglicht und die neuen Erkenntnisgewinn erbringt. Ich versuche, das eine vom anderen vor dem Aussprechen von Wertungen zu trennen.
Entsteht nun, bis hier her, und an einem Punkt des Nachdenkens über diese Zeilen, ein neuer Erkenntnisgewinn über die Begriffe Realismus, Erfahrung und Erkenntnis, hätten das Bild und diese Zeilen tatsächlich einen Nutzen und einen Wert in ihrer digitalen Existenz manifestiert. Der Leser hätte zumindest einige Momente lang über einen Aspekt unserer Existenz philosophiert – vielleicht sogar ohne es zu merken – und dabei seine Lebenserfahrung erweitert. Ein schöner Gedanke. Das genügt mir für heute.