Siehste

Das Leben schreibt manchmal, und in aller Kürze, die besten Geschichten.

Gestern betrat ich eine Buchhandlung. Noch im Eingangsbereich stehend, rauschen zwei ältere Damen – umwabbert von einer Duftwasserwolke mit kräftigen Aromen – an mir vorbei. Sie streben zielgerichtet auf die erste Auslage im Buchladen zu, auf dem die aktuellen Neuerscheinungen und die Bestseller liegen. Mittendrin und unübersehbar, ein sehr großer Stapel des signalrot gefärbten Sarrazin-Buchs. Dame Nr.1 zeigt darauf und sagt – deutlich vernehmbar – zu Dame Nr.2:

“Siehste, da ist er ja, der Sarrazin!”

Der Tonfall, in dem sie dies sagt, lässt in mir unvermittelt die Assoziation, der beiden Damen in einer Apotheke entstehen, wo Dame Nr.1 zu Dame Nr.2 sagt:

“Siehste, ich hab‘ Dir doch gesagt, hier kriegste was gegen Deine Kopfschmerzen.”

Vor dem grossen Sarrazin-Stapel stehend, nimmt jetzt Dame Nr.1 einen giftroten Sarrazin aus der obersten Reihe, dreht das Buch um, runzelt die Stirn und schaut dann ihre schweigsame Begleiterin an:

“Der will ja über 22 Euro haben!?”

Dame Nr.2 runzelt jetzt ebenfalls die Stirn, schaut Dame Nr.1 an und bleibt schweigsam. Dame Nr.1 stellt das Buch korrekt ausgerichtet wieder auf den Stapel zurück und sagt:

“Nö.”

Sie wenden sich beide ohne ein weiteres Wort ab und streben dem danebenliegenden “Joy Fielding”-Stapel entgegen.

Ich stehe immer noch im Eingangsbereich und ertappe mich dabei, wie ich abwechselnd den Sarrazin-Haufen und die beiden Damen, die sich schon im regen Austausch über zwei Fielding-Bücher befinden, anstarre. Bevor mein Starren auffällt, wende ich mich ab und verkrümele mich, einigermaßen verwirrt, in die knallbunte Kochbuch-Ecke.

PS: Ich habe kein Kochbuch gekauft.

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