Es gibt Alternativen. Das ist Fakt.

Wie einige vielleicht wissen, ist der Datenschutz seit einiger Zeit Hauptbestandteil meines beruflichen Wirkens, weil ich einen Job als Datenschutzbeauftragter übernommen habe. Ist ein interessantes Thema und in vielen Belangen das Gegenteil von einfach und übersichtlich. Aber das wäre ja auch langweilig. Es ist ein wahrhaft weites Feld.

Jedenfalls werden mir in dieser Funktion viele Fragen zum Thema gestellt, die zum übergroßen Teil aber mit folgender Anfangsphrase starten: „Das ist doch eh alles Quatsch. Die haben ja alle unsere Daten schon längst.“ Ja. „Die“, wer auch immer dann damit gemeint wird, haben viele Daten von „uns“. Aber unabhängig davon, dass „die“ eine Verallgemeinerung ist, die einen schon im Vorfeld zum machtlosen Opfer macht, geht sie völlig am Problem vorbei. Für mich sind das nur Schutzbehauptungen stinkfauler Mitbürger. Sorry, kein Sorry an dieser Stelle.

Bevor man allerdings an dieser Stelle ein Argument setzen kann, haben einem die Leute schon die Totschlagkeule „Ich hab nix zu verbergen!“ um die Ohren gehauen. „Ok, ganz schwerer Fall“, denke ich dann immer. Im Gespräch versuche ich dem jeweiligen Gegenüber dann immer erst mal Recht zu geben, bevor ich mit meinem ‚…aber, versuch‘s doch mal so zu sehen…‘ um die Ecke komme. Alte Taktik, aber mir fällt nix besseres ein.

In aller Kürze zu den zwei genannten Punkten:

1. Ja, weltweit haben Internetkonzerne und Wirtschaftsunternehmen viele personenbezogene Daten, die natürlichen Personen zugeordnet werden können. Noch viel mehr haben sie aber dadurch statistische Werte und Schubladen, die diese Personen mit anderen Personen verknüpfen und in Gruppen einteilen. Das ist zunächst mal höchstens lästig, weil man bei Fb in der Filterblase landet und einem Amazon Werbung für Dinge zuschickt, die man längst gekauft hat. Aber…

2. Man kann mit diesen Daten, die einen Menschen vollständig und zum in jeder(!) Beziehung statistisch erfassbaren Objekt machen, richtig Schindluder treiben. In den falschen Händen können damit Diskriminierung und politische Repression in Perfektion ausgeübt werden. Entweder, weil sich staatliche Administrationen Zugriff verschaffen, oder weil Wirtschaftsunternehmen aufgrund ihrer schieren Größe und ihren systembedingten Verzweigungen nach unten – und naturgemäß deshalb völlig amoralisch – diese Daten an jeden verscherbeln, der nur genug Geld dafür zahlt. Und jeder ist hier wörtlich zu nehmen.

In Zeiten von Trump und AfD und anderen nationalistischen Subjekten ist die demokratische Welt in der wir leben an nicht unwichtigen Positionen und durch eine nicht unerhebliche Zahl von Menschen in Frage gestellt. Nichts ist in Beton gegossen. Weder Freiheit, noch Demokratie oder der daraus resultierende Wohlstand – wenn einem die ersten beiden Begriffe wenig sagen. Sprich, in Zukunft kann einem die nix-zu-verbergen-Haltung ganz böse auf die Füße fallen. Kleines Beispiel: spätestens, wenn mir die Krankenkasse meiner Wahl meinen kaputten – per Facebook, Amazon und Google getrackten – Lebensstil in schönen Grafiken um die Ohren haut, und die daraus folgende Kostenteilung für die Heilbehandlung echt übel ausfällt, und wenn dieser Fakt aufgrund fehlender oder mangelhafter Gesetze auch noch nicht ernsthaft anfechtbar ist, spätestens dann weiß ich, warum Datenschutz doch cool ist. Jeder hat was zu verbergen! Und das muss auch so sein. Ich persönlich behandle diesen Satz wie ein Grundrecht. Ich habe ein Recht, meine Daten, mein Selbst zu verbergen und nur etwas heraus zu geben, wenn ich es freiwillig entscheide. Und ich brauche ein Gesetz, was mir genau das zugesteht. Ich kann gerne alle meine Daten in alle Welt verteilen, wenn ich das freiwillig tue und – wichtig – nur ich diese Verteilung autorisieren und steuern kann. Genau dafür wurde die EU-DS-GVO (die europäische Datenschutz-Grundverordnung) geschaffen. Dafür, dass sich Konzerne, Administrationen und alle Dritten in Zukunft für ihre Datenerfassung und -haltung rechtfertigen müssen.

Die gute Nachricht für viele Facebook-Nutzer: die Möglichkeit sich auf Facebook mit seinem Klarnamen mit unüberlegten Beiträgen und langweiligen Selfies zum Spacko zu machen, bleibt vollständig erhalten. Keine Frage. Das ist Fakt – ohne Alternativen.

Die EU-DS-GVO ist nicht perfekt, natürlich noch nicht. Sie ist ein Anfang, aber ein wichtiger. Jeder Bürger der EU hat die Oberhoheit über seine Daten. Punkt. Das steht da drin und das ist gut! Sehr gut sogar! Wer das Scheiße findet, hat entweder nicht verstanden, worum es geht oder ist einer von den total abgefrühstückten Midage-Zynikern, die hier leider immer mehr rum rennen. Für die schreibe ich hier aber nicht. Und ja, das bedeutet auch Arbeit für jeden Einzelnen. Man muss sich informieren und kümmern. Demokratie braucht sowieso die Arbeit und Pflege von allen an ihr – ansonsten geht sie vor die Trumps, äh sorry, Hunde.

Zurück zum „kleiner-Mann-kann-nix-machen“-Problem. Doch, kann er. Sie auch. Wie im richtigen analogen Leben, ist euer Geldbeutel eine der wichtigsten und mächtigsten Politikwaffen, die es gibt. Schaut halt genau hin, wem ihr eure Kohle gebt. Wieder ein Beispiel: ich will nicht, dass Menschen ausgebeutet werden? Dann kaufe ich nicht bei Primark. Ganz einfach. Bei den Preisen, die dort aufgerufen werden, muss jemand ausgebeutet werden. Punkt. Von Umweltaspekten gar nicht zu reden. Eine halbe Stunde Internetrecherche außerhalb von Filterblasen, via konzern-unabhängiger europäischer Suchmaschinen – ja, so was gibt‘s; dazu später mehr – und man kann wissen, was Primark wirklich ist.

In der digitalen Smartphone-Welt ist es eigentlich ziemlich leicht, Politik zu machen. Ich meine noch nicht mal die zehntausend Petitionen, die einem jährlich ein schlechtes Gewissen machen, weil man wieder mal nicht unterzeichnet hat. Nein, ich meine ganz simpel die Werkzeuge, die Apps und Programme, die man täglich nutzt. Achtet ihr auf die Wahl eurer Werkzeuge ist schon viel getan.

Ihr sucht tagtäglich mit Google, der Mutter aller Suchmaschinen? Müsst ihr nicht. Es gibt Alternativen. Ich nutze nur Qwant, Startpage und ab und an Duckduckgo. Das sind allesamt Suchmaschinen, die Dir garantieren, Deine Daten nicht weiterzureichen. Qwant ist ein französisches Projekt und damit komplett unter der Aufsicht der EU-DS-GVO. Diese Suchmaschine ist in der Tat im Moment mein Suchmaschinen-Liebling. Startpage basiert auf Ixquick, wie man hier nachlesen kann:  About StartPage.  DuckDuckGo kämpft in Amerika gegen die Datensammelwut an.

Bei Browsern sieht es ähnlich aus. Außer Firefox sind alle Browser echte Plappertüten und melden alles nach Hause, und/oder lassen zu, dass irgendwer irgendwas mittrackt. Sogar mein geliebter Safari macht da nur bedingt eine Ausnahme. Aber es gibt Alternativen. Ein Hoffnungsstrahl am Pixelfirmament ist Brave. Ein guter schneller Open-Source-Browser, der Ad-Blocking und Pseudonymisierung ernst nimmt und darüberhinaus all die Bequemlichkeiten bietet, die die Surferette gewohnt ist. Schaut ihn euch mal an. Ich nutze den fast ausschließlich. Ist sehr interessant, wenn man den mal eine Stunde lang benutzt und dann im Startfenster sieht wieviel unbemerkte Trackingvorgänge es gegeben hätte.

Es gibt also Möglichkeiten. Immer. Man muss nur mal damit anfangen von den eingeübten Stereotypen abzulassen und Gewohheiten zu ändern.

So, und jetzt mit der groben Kelle: wir leben in einer der besten Demokratien, und noch(!) in einer der freiesten Gesellschaften dieser Welt, wenn das so bleiben soll, sollten wir die DS-GVO gut finden.

Schönes Restwochenende
jo

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